öffentliche Güter: Grundlagen

öffentliche Güter: Grundlagen
öffentliche Güter: Grundlagen
 
Die modernen Industrieländer gelten grundsätzlich als Marktwirtschaften. Dennoch kommt überall dem Staat gemessen am Verhältnis von Staatsausgaben und BIP eine bedeutende Rolle zu: Die so definierte Staatsquote reicht von 32 % für die USA bis zu 60 % für Schweden.
 
 Rechtfertigung für staatliche Aktivität in Marktwirtschaften
 
Für staatliche Aktivitäten in marktwirtschaftlichen Systemen werden traditionell drei Rechtfertigungen angeführt. Erstens: Selbst wenn der Markt perfekt funktioniert, stimmt die Einkommensverteilung nicht unbedingt mit den vorherrschenden Gerechtigkeitsvorstellungen überein. Dem Staat kommt die Aufgabe der Umverteilung zu (Distribution). Zweitens: Die Erfahrung etwa der Weltwirtschaftskrise lehrt, dass es in Marktwirtschaften zu teilweise gravierenden gesamtwirtschaftlichen Störungen kommen kann. Der Staat hat daher eine Verantwortung, die wirtschaftliche Entwicklung durch Instrumente der Geld- und Fiskalpolitik zu verstetigen (Stabilisierung). Schließlich sind in der Realität oft die Annahmen des Lehrbuchmodells der vollständigen Konkurrenz, in dem effiziente Marktergebnisse zu erwarten sind, nicht erfüllt. Der Staat muss dann eingreifen, um Marktversagen zu korrigieren (Allokation).
 
 Merkmale eines reinen öffentlichen Gutes
 
Im Bereich der allokativen Rechtfertigung staatlicher Aktivität steht der Begriff des öffentlichen Gutes im Mittelpunkt. Ein öffentliches Gut ist im Gegensatz zu einem privaten Gut durch zwei Merkmale gekennzeichnet. Zum einen besteht beim Konsum eines öffentlichen Gutes keine Rivalität: D.h., der Nutzen des Gutes für ein Individuum schmälert in keiner Weise den Nutzen desselben Gutes für andere Individuen. Dies gilt etwa für einen Damm zum Hochwasserschutz: Alle im hochwassergefährdeten Gebiet wohnenden Menschen profitieren von diesem Gut. Das zweite Merkmal ist die Nicht-Ausschließbarkeit: Niemand kann vom Konsum eines öffentlichen Gutes ausgeschlossen werden. Im Beispiel des Hochwasserdamms wird dies deutlich, wo jeder Anwohner automatisch Nutzen aus dem öffentlichen Gut zieht.
 
 Mischformen
 
Zwischen reinen privaten und reinen öffentlichen Gütern gibt es Mischformen. So gibt es Güter, die zwar Rivalität im Konsum aufweisen, von deren Konsum aber niemand ausgeschlossen werden kann. Ein Beispiel für diese Allmendegüter sind die keinem Staat gehörenden Hochseefischgründe. Umgekehrt gibt es auch Güter, bei deren Konsum zwar keine Rivalität besteht, von deren Konsum aber der Einzelne ausgeschlossen werden kann (Mautgüter). Das Kabelfernsehen fällt in diese Kategorie: Der Anschluss eines neuen Haushalts an das Kabelnetz reduziert nicht den Nutzen des Kabelfernsehens für die bereits angeschlossenen Haushalte. Dennoch kontrolliert die Kabelgesellschaft den Netzzugang und vergibt ihn gegen Entgelt.
 
 Finanzierung und Bereitstellung
 
In der Theorie lässt sich das Finanzierungsproblem reiner öffentlicher Güter lösen. Jeder Haushalt müsste zur Finanzierung Steuern gemäß seinem individuellen Nutzen aus dem Konsum des öffentlichen Gutes zahlen (Äquivalenzprinzip). Das Aufkommen dieser Steuern würde zur Finanzierung des öffentlichen Gutes verwandt und eine optimale Versorgung gewährleisten. Diese theoretische Lösung scheitert in der Praxis am Merkmal der Nicht-Ausschließbarkeit. Weil jeder Bürger unabhängig vom eigenen Beitrag das Gut uneingeschränkt nutzen kann, besteht kein Anreiz, den Nutzen ehrlich zu offenbaren. Die Folge des Trittbrettfahrer-Verhaltens ist ein unzureichendes Finanzierungsaufkommen und eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern. Infolgedessen müssen öffentliche Güter aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden, ohne dass dabei ein klarer Zusammenhang zwischen dem individuellen Nutzen aus der Bereitstellung und dem Finanzierungsbeitrag besteht. Staatliches Handeln wird oft mit Verweis auf das Vorliegen eines öffentlichen Gutes legitimiert. Bei vielen öffentlich finanzierten Aktivitäten (z. B. Universitäten, Autobahnen) ist äußerst fraglich, ob hier tatsächlich öffentliche Güter vorliegen. Eine Universitätsausbildung etwa erfüllt weder die Bedingungen der Nicht-Rivalität noch der Nicht-Ausschließbarkeit. Das Gleiche gilt angesichts von Überfüllung und neuer technischer Möglichkeiten zur Registrierung der Straßennutzung auch für die Autobahnen. Des Weiteren ist zwischen der Finanzierungs- und Bereitstellungsaufgabe zu unterscheiden. Ein öffentliches Gut macht eine öffentliche Finanzierung notwendig, nicht aber eine öffentliche Produktion. So ist die Straßenreinigung ein öffentliches Gut. Deshalb ist es aber kaum notwendig, diese Dienstleistung durch kommunale Betriebe vornehmen zulassen. Die Vergabe an einen privaten Dienstleister wäre die ordnungspolitisch angemessene Vorgehensweise.

Universal-Lexikon. 2012.

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